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Wineta / Vineta | |||
Quellen: | |||
Insgesamt gibt es nur
drei Urkunden, die mit einiger Sicherheit die Existenz eines Wineta beweisen. Die
erste aus dem Jahre 1075 beschreibt allerdings eine Stadt mit Namen JUMNE oder
auch UIMNE. Der Name WINETA (mit "W"!) taucht erstmals um 1158 auf. Noch einmal wurde dann,
allerdings schon in der Vergangenheitsform, um 1170 ein VINETA erwähnt. Um 965
wird von einer großen, nicht namentlich genannten Stadt des Volkes der "Weltaba"
(auch andere Deutungen möglich) berichtet. Undatierbar und kaum lokalisierbar wird in altnordischen Sagen von einer
JOMSBORG geschrieben. Nach 1170 taucht Wineta in keinem Schriftstück mehr auf. | |||
Lage: | |||
Pommersche Küste, genaue Lage umstritten | |||
Name: | |||
U und V wurden im Mittelalter nicht unterschieden. So konnte aus Uimne auch Vimne werden. Latinisiert wurde mit der Endung "–ta". Ebenfalls schwer unterscheidbar waren in der damaligen Schrift m und n, noch dazu, wenn sie aufeinander folgten und der (Ab)schreiber nicht wußte, wovon er schrieb. In anderen alten Schriftstücken sind auch Vertauschungen von m und w bezeugt. Wineta ist außerdem eine verhältnismäßig spät bezeugte Form, die bei der Suche nach dem ursprünglichen Namen nicht weiterhilft. Die fraglichen Wörter Jumne, Vimne und Uimne (vielleicht noch andere) haben möglicherweise alle einen Ursprung. Da Flur-, also auch Flußnamen, in der Regel älter sind, als die jeweilige Bevölkerung, ist die Herleitung vom germanischen Volk der SVIONAE (lateinisch), germanisch wohl eher SVIMNE oder SVIUMNE, das von Forschern neben Südskandinavien auch im Raum Usedom/Wolin lokalisiert wird, möglich (2). Wobei die Aufeinanderfolge von M und N wohl ursprünglich ist; auch das Germanenvolk der SEMNONEN wurde später latinisiert SENONIBUS genannt. Das Wort Wineta stammt ursprünglich sicher vom Volk der Veneter. Die Veneter, ein den Slawen oder auch Balten nahestehendes Volk, lebten in den ersten Jahrhunderten nach Christus zwischen den Germanen und den Slawen bzw. zwischen den Römern und den Slawen. Später gingen sie vollständig in den jeweiligen Nachbarvölkern auf. Die südlichsten nachweisbaren Siedlungensgebiete lagen an der Adria (Venezien); im Norden siedelten sie an der heutigen westpolnischen Ostseeküste. Für Germanen wie auch für Römer waren diese östlich von ihnen wohnenden Völker kaum unterscheidbar, sodaß auch die Slawen (damals noch Sklawenen und Anten) zu den Venetern gerechnet wurden. Daraus entwickelte sich das Wort Wenden, wie die Slawen vereinzelt noch heute genannt werden. Der Name Vineta würde dann übersetzt nur "Stadt der Wenden" bedeuten, was uns weder über Ortsnamenvergleiche noch über sprachliche Brücken weiterbringen kann. Von den Bewohnern selbst ist der Name Wineta sicher nie verwendet worden. Als das Gebiet beiderseits der Dziwna im 7. Jh. slawisch besiedelt wurde, nannten die Slawen "ihre" neue Stadt WOLIN. Kaum beachtet wurde bisher die Tatsache, daß dieser Ort weiterhin von Germanen (vorwiegend dänischen Kaufleuten) bewohnt wurde, die eine große Autonomie genossen und keinen Grund sahen, den neuen slawischen Namen zu verwenden. Nur veränderte sich SVIMNE/SVIUMNE als Name für den Ort im Laufe der Jahrhunderte in Formen wie Jumne, Vimne oder Uimne. Durch die Dänen gelangten auch eher die dänischen Bezeichnungen anstelle des slawischen Wolin in den deutschen Raum. Die Form Julin (JUmne-woLIN) ist eher als Karikatur oder Abkürzung zu verstehen, bedeutet aber auch einen ersten Imageverlust der dänischen Stadt. Als die latinisierte Form VINETA/WINETA entstand, gab es bereits keine dänischen Bewohner mehr, die den alten Namen weitergeben konnten. So nahm man den Namen wohl aus einer uns unbekannten lateinischsprachigen Quelle. Da keiner mehr etwas genaueres wußte, wurde Vineta später die gebräuchliche Bezeichnung für die ehemals berühmte Stadt, nachdem Wolin in die Bedeutungslosigkeit versunken ist und eine Verbindung zwischen beiden unmöglich erschien. Daß eine slawische
Ortschaft, selbst wenn sie eine Burg hatte, auf Grund der Sprache sicher nicht "–borg" hieß,
ist offensichtlich. Jomsborg ist also entweder eine nordische Umformung des originalen
Namens oder eine sogar ursprüngliche germanische Bezeichnung. Ebenso wurde z.
B. Kamien Pomorski in alten skandinavischen Schriften
Steinborg und Szczecin Burstaborg genannt. Ob Jomsborg identisch mit Arkona,
Ralswiek, Menzlin oder Wolin oder einer noch unbekannten Stadt ist, wurde bisher nicht
sicher geklärt. Die Jaromarsburg war die bedeutendste Festung
der Ranen am heutigen Kap Arkona auf der Insel Rügen. Sie war im 12. Jh. Ziel
häufiger feindlicher (wohl dänischer) Angriffe, bis König Waldemar von Dänemark
sie im Jahre 1168 eroberte und damit von Rügen aus die Endphase der Eroberung des slawischen
Pommerns einleitete. Der Name Wolin (Stadt und später auch Insel) stammt vom Volksnamen der Woliner ("Vuolini" um 967) und wurde sicher schon aus der alten ostslawischen Heimat mitgebracht (Wolhynien?). Herleitungen sind auch von "olch-" für Erle (Wolhynien), weniger wahrscheinlich von "wol-" für "frei" oder "olin-" für Hirsch möglich. Jom (Jomsborg) ist schwer deutbar. Es kann von ostslawisch "jom" für "Raum" kommen, vom Norwegischen "hjem" für Heim, aber auch Herleitungen aus baltischen Sprachen ("Sandbank") oder von einem (abgekürzten) Personennamen sind möglich (Jaromarsburg). Im dänischen bedeutet "jom" heute "jung" (bei "Jomfru"). Solange Jom noch nicht eindeutig slawisch einzuordnen ist, ist das Wort ein Beweis, daß zur Zeit der slawischen Besiedlung im Woliner Raum bereits ein Volk ansässig war, das vorhandene geographische Bezeichnungen weitergeben konnte. | |||
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Geschichte: | |||
In den Jahrhunderten vor Christus war Pommern nur sehr dünn besiedelt. Hinweise auf Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur- oder Völkergruppe gibt es nicht. Änderungen traten um die Zeitenwende auf: Funde lassen einen Zusammenhang mit inseldänischem Material erkennen, während die Beziehungen zum aufstrebenden und sich römisch orientierenden Festlandsgermanien eher schwach waren. Die Kultur Pommerns blieb traditioneller (1). Im Zuge der Völkerwanderung ab etwa 400 ist mit einer starken Ausdünnung der festlandsgermanischen Stämme zu rechnen. Die sich eher nach Skandinavien orientierenden Küstenbewohner Pommerns wurden von dieser Entwicklung weniger berührt, da der Handel vom Ostseeraum oderaufwärts vermutlich nie ganz zum Erliegen gekommen ist. Als die Slawen im 7. Jh. in Pommern eindrangen, blieben einige germanisch-dänische Siedlungen erhalten, die für die Slawen wertvolle Handelsstützpunkte darstellten (Ralswiek, Menzlin, Jomsborg u. a.). Der aufstrebende skandinavische Schiffbau ermöglichte es den Dänen seit dem 8. Jahrhundert (Wikinger) ihre alten Gebiete zu beschützen, wiederzuerobern oder zumindest anzugreifen. | |||
(1) Die Germanen, Akademie-Verlag Berlin, 1979 | |||
(2) Die germanische Wurzel SWE- bedeutet, im deutschen noch in "Schwager", soviel wie Verwandter, dem eigenen Volk Zugehöriger. Es könnte daher durchaus mehr als einen germanischen Stamm der SVIONAE gegeben haben. Auch die Völkernamen wie SUEBEN, SCHWEDEN usw. haben diese Wurzel. | |||
Theorien: | |||
Im Verhältnis zu anderen "versunkenen Städten" haben wir uns nur mit wenigen möglichen Orten zu befassen: | |||
Barth: Eine noch sehr neue Theorie. Barth am Bodden hinter dem Darß und der Insel Zingst bot eine geschützte Lage. Die Verbindung zur Ostsee war aber nur über den Prerowstrom (von der Seeseite aus schwer zu finden) oder über den gefährlichen, von Sandbänken gesäumten Weg bis Hiddensee möglich. In späteren Jahrhunderten wird allerdings über einen Kanal duch die schmale Halbinsel Fischland berichtet, der einen Ostseezugang in westlicher Richtung möglich machte. Barth liegt nur 20 km vom mecklenburgischem (damals obotritischem) Gebiet entfernt, das Deutschen (Sachsen) und Dänen (Kaufleute und Missionare) recht gut bekannt war und daher wenig geheimnisvolles bot. Der archäologische Befund ist mager. Zitat zur Barth-Theorie:"Ich bin Archäologe und habe nicht so viel Phantasie"(Professor Filipowiak). Zur Widerlegung der Bart-Theorie siehe hier. | |||
Peenemünder Haken: Die Gegend war im 14. Jahrhundert großen Veränderungen unterworfen. Das Gebiet um Peenemündung, Greifswalder Bodden und Ostsee läßt sich mit dem Quellentext vergleichen. Die Gegend war (und ist teilweise) aber in weiten Teilen flach, versumpft und hochwassergefährdet. Der Norden Usedoms ist nach den Ortsnamen erst in deutscher Zeit dauerhaft besiedelt worden. Im 20. Jahrhundert war der Bereich militärisches Sperrgebiet. Funde sind daher kaum gemacht worden, aber auch nicht zu erwarten. | |||
Swinemündung: Am mittleren Oderarm. Günstige Lage zwischen Bodden und Meer, aber zu Lande nur über jeweils eine Insel zu erreichen (Usedom und Wolin). Boddenseitig verläuft die Swine verschlungen zwischen versumpften Ufern. Archäologischer Befund gering. Ostusedom und Westwolin waren zur Slawenzeit dicht bewaldet und nur dünn besiedelt (Grenze zwischen Wolinern und Ranen). | |||
Ruden: Nach den Sturmfluten des 14. Jahrhunderts ist dessen ursprüngliche Größe nur noch zu erahnen. Sicher betrug sie ein Mehrfaches der heutigen. Im Norden trennte den Ruden nur ein schmaler Meeresarm von Rügen (Mönchgut). Eine alte Verbindung mit dem Greifswalder Oie wird für möglich gehalten. Das ganze Gebiet war im Mittelalter flach, sturmflutgefährdet und teilweise versumpft. Dichtere Besiedlung kann daher ausgeschlossen werden, obwohl die Lage am Zugang zum Greifwalder Bodden und die fast-Landverbindung zwischen Usedom und Rügen günstig war. Meeresgrund und Küste sind noch heute ständigen Veränderungen unterworfen, wodurch Funde wenig wahrscheinlich sind. Der heutige Ruden besteht fast nur aus künstlich aufgespültem Material. | |||
Wolin: (Stadt auf der gleichnamigen Insel) an der Dziwna: An einem Oderarm mit inselseitig trockenem und hochwassersicherem Ufer. Schiffbarer Zugang zum Haff, zur Ostsee aber nur nach gut 30 Kilometern Flußfahrt dziwnaabwärts. Einziger historischer Übergang vom Festland zur Insel Wolin. Einer Gleichsetzung mit Wineta widerspricht, daß eine Reihe von Urkunden aus dem 12. Jahrhundert (in dem Wineta erwähnt wurde) auch Wolin (teilweise Julin genannt) erwähnt. Der archäologische Befund ist reichhaltig. Das Gebiet um Wolin bildete danach den westlichsten Punkt eines breiten, weit nach Polen hineinreichenden Siedlungsgürtels mit der Stadt Wolin als Zentrum. | |||
Wolgast:
An
einem Hochufer der Peene. Bildet fast das Spiegelbild zu Wolin. Der Zugang zur
Ostsee war aber im Osten vermutlich durch den Ruden versperrt, im Westen nur an
Stralsund vorbei möglich. Damit hätte Stralsund die Voraussetzungen für ein
großes Handelszentrum gehabt, nicht aber Wolgast. Reiche slawische Funde in
Wolgast, weniger im Hinterland. | |||
Dziwna-Mündung: Entspricht heute (!) den Beschreibungen im Quellentext (Binnensee Zalew Kamienski - ca. 5 km Fluß Dziwna - Ostsee). Heute Ortschaft Dziwnow. Über archäologische Untersuchungen ist (mir) leider nichts bekannt. Ich habe mir das Gebiet im April 2001 angesehen. Danach ist der gesamte nordöstliche Zipfel der Insel Wolin ein Ausgleichsküstenprodukt. Das heißt, daß vor 1000 Jahren dieser Zipfel möglicherweise noch gar nicht bestand, und die Dziwnamündung damals noch mehrere Kilometer breit war. Wenn Wineta hier gelegen haben sollte, müßte man es 5 - 6 km westlich der heutigen Dziwnamündung suchen. | |||
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Archäolog. Befund: | |||
Rügen, besonders
dessen zentraler Teil (Ralswiek, Bergen, Garz), bietet eine Fülle
slawischer (und älterer) Funde. Die Festlandsküste dagegen war sehr unregelmäßig
besiedelt. Zwischen Lübeck, Wismar, Rostock, Barth, Strelow (Stralsund),
Wolgast, Menzlin, Usedom und Wolin erstreckten sich jeweils oft viele Kilometer fast
siedlungsleeren Raums. Wineta mußte aber einen exponierten Küstenstandort mit
Verbindung zum Hinterland gehabt haben, um der ihr zugesprochenen Rolle überhaupt
gerecht werden zu können. Der nordwestliche Zipfel der Insel Usedom, in dessen
Küstennähe Wineta im 16. und 17. Jahrhundert gern lokalisiert wurde, bietet
fast keine Anhaltspunkte. Große Gebiete, wie die Mönchguter Landzunge und der
Norden des sich ihr entgegenstreckenden Rudens gingen allerdings im 14. Jahrhundert durch
Sturmfluten verloren, was auch Veränderungen im Uferbereich des Greifswalder
Boddens zur Folge hatte, die sich heute nur schwer nachvollziehen lassen.
Möglich ist aber, daß der westlichste Oderarm einst bis in den Strelasund
reichte und erst zwischen Hiddensee und Zingst in die Ostsee mündete. | |||
Ergebnis: | |||
Die Winetasage verbindet zwei voneinander unabhängige geschichtliche Ereignisse:
Beide Ereignisse fielen in das Ende der letzten freien slawischen Fürstentümer. Nach vermutlich Jahrhunderten friedlichen Zusammenlebens zwischen Slawen und Dänen in Vimne/Wolin bekam der Ort im Zuge der expansiven dänischen und polnischen Politik zunehmend strategische Bedeutung. Noch 986 schien der Ort neutral oder teilweise dänisch gewesen zu sein. 1043 wurde der Ort (nach einem polnischen Bürgerkrieg) durch dänische Truppen belagert, 1098 (nach der Vereinigung der Obotriten und Lutizen) belagert und eingenommen. 1121 hatte die Polarisierung ihren Höhepunkt erreicht: das wiedererstarkte Polen eroberte Pommern einschließlich der Insel Wolin. Spätestens jetzt konnte von einer funktionierenden dänischen Handelsniederlassung nicht mehr die Rede sein. Als 1128 der pommersche Adel in Usedom (!) das Christentum annimmt, war Jumne von den Dänen wahrscheinlich schon aufgegeben worden. Der Ost-West-Handel lief da bereits über das seit 1121 polnische Szczecin (Stettin). Jumne wurde polnisch nur noch Wolin genannt. Als Absalon 1182 , diesmal für lange Zeit, Pommern für Dänemark eroberte, war der Name Jumne bereits in Vergessenheit geraten, nur der Begriff Jomsborg hatte Eingang in die Sagas gefunden. | |||
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Landkarten: | |||
Kartenskizze Wolin | |||
links: | |||
www.wolin.pl, www.wolin.fn.pl, (beide polnisch) | |||
Zeittafel Mecklenburg-Pommern | |||
Quellentexte: | |||
Adam von Bremen, der
erste große deutsche Geograph, schrieb 1075 über Vineta:
""Hinter den Liutizen, die auch Wilzen heißen, trifft
man auf die Oder, den reichsten Strom des Slawenlandes. Wo sie an
ihrer Mündung ins Skythenmeer fließt, bietet die sehr berühmte
Stadt Jumne für Barbaren und Griechen in weitem Umkreis einen
vielbesuchten Treffpunkt. Weil man sich zum Preise dieser Stadt
allerlei Ungewöhnliches und kaum Glaubhaftes erzählt, halte ich
es für wünschenswert, einige bemerkenswerte Nachrichten
einzuschalten. Es ist wirklich die größte von allen Städten,
die Europa birgt ... Die Stadt ist angefüllt mit Waren aller Völker
des Nordens, nichts Begehrenswertes oder Seltenes fehlt ... Hier
zeigt sich Neptun in dreifacher Gestalt, denn die Insel wird von
drei Meeren bespült, eins davon soll von tiefgrünem
Aussehen sein, das zweite weißlich;
das dritte wogt ununterbrochen wildbewegt von Stürmen. Von dieser
Stadt aus setzt man in kurzer Ruderfahrt nach der Stadt Demmin in
der Peenemündung über, wo die Ranen wohnen ..."
Vollständige Versin: „Über die Lutizier hinaus....tritt uns der
Oder-Fluss entgegen, der reichste Strom des Landes Slawien; an den
Ufern desselben...bietet die sehr angesehene Stadt Jumne (Vineta)
den Barbaren und Griechen, die dort wohnen, einen viel besuchten
Standort dar (Jumne war im Altertum der Name für eine Landschaft,
zu der die Inseln Usedom und Wollin gehörten E.R.). Weil nun zum
Preise der Stadt viele und fast unglaubliche Dinge vorgebracht
werden, so halte ich es für anziehend, hier einiges, das Erwähnung
verdient, einzuschalten. Es ist wirklich die größte von allen Städten,
die Europa einschließt. In ihr wohnen Slawen und andere Nationen,
Griechen und Barbaren. Denn auch den dort ankommenden Sachsen ist
unter gleichem Rechte mit den übrigen zusammen zu wohnen
gestattet, freilich nur, wenn sie, solange sie sich daselbst
aufhalten, ihr Christentum nicht öffentlich kund geben; denn alle
sind noch im Irrwahn heidnischer Abgötterei befangen. | |||
Literatur: | |||
Vineta ist sozusagen das "Atlantis der Ostsee". Wie die "größte Stadt Europas" unterging, ist bis heute ebenso rätselhaft wie ihr ehemaliger Standort. Zwei Berliner Forscher scheinen nun des Rätsels Lösung sehr nahe ... Vom 8. Jahrhundert bis zur
gewaltsamen Christianisierung Pommerns soll das - von den Kriegern einer mächtigen,
in altnordischen Sagen Jomsburg genannten Seeburg behütete und beherrschte -
geheimnisvolle und märchenhafte Vineta die dominierende Handelsmetropole der
Ostsee gewesen sein. Adam von Bremen über Vineta Helmold von Bosau überschrieb knapp 100 Jahre später ein ganzes Kapitel seiner Slawenchronik mit "Über die Stadt Vineta". Den größten Teil scheint er wörtlich die Beschreibung Jumnes von Adam übernommen zu haben - mit einem wichtigen Unterschied: Helmold schreibt über Vineta in der Vergangenheitsform. Das Ende Vinetas beschreibt Helmold von Bosau um 1170 so: Vineta alias Jumne, Iumne, Uimne muss also vor Helmolds Schrift 1170, aber nach Adams Beschreibung 1075 untergegangen sein. Sehr wahrscheinlich ist es, wie im 16. Jahrhundert der Fund einer alten Schriftrolle mit einer Liste der Lübecker Gründungsräte von 1158, auf der auch ein Cord Strale, "van Wineta gekamen", verzeichnet war, nahe legt, irgendwann zwischen 1158 und 1170 von der Bildfläche verschwunden. Absolut seltsam ist, dass diese weltberühmte Stadt nach 1170 in keinem Rückblick und keinen Reichsannalen mehr Erwähnung findet. So, als hätte diese Stadt auf einmal nie existiert. Im 16. Jahrhundert brach ein regelrechter Boom um Vineta los. Alles, was Rang und Namen hatte - Herzöge, Bürgermeister, Pastoren - pilgerte zum so genannten Vineta-Riff vor Usedom. Viele waren überzeugt, die Überreste der versunkenen Stadt in den Wellen zu erkennen. Abenteurer und Schatzsucher durchwühlten den Meeresgrund nach sagenhaften Schätzen. Kupferstecher kreierten phantasievoll Marktszenen auf ihre Platten. Vineta lieferte als "Venedig der Ostsee" reichlich phantasievollen Stoff für Geschichten, Gedichte und sogar Opern. Die Wolin-Theorie gilt heute als offizielle Vineta-Version. Die wissenschaftliche Erforschung des Vineta-Mythos begann, als Rudolf Virchow bei Wolin, am rechten Mündungsarm der Oder, Erdhügel auffallen. Grabungen ergaben mit reichlich Grabbeigaben, die man der Zeit entsprechend (das deutsche Reich war frisch gegründet) gern als germanisch-wikingisch interpretiert hatte, sich aber letztendlich hartnäckig als wendisch-slawisch erwiesen, versehene Friedhöfe. Virchow war überzeugt, in Wolin sei Vineta gefunden worden. Die Wolin-Theorie wird seit 1953 von Wladislaw Filipowiak, dem Direktor des Nationalmuseums in Stettin, weiter erforscht (siehe Kasten oben). Doch die Wolin-Theorie war von Anfang an nicht die einzige. Ihr gegenüber stand die Usedom-Theorie (siehe Kasten unten). Adam von Bremens Beschreibung: "Hier zeigt sich Neptun in dreifacher Gestalt, denn die Insel wird von drei Meeren bespült, eins davon soll von tiefgrünem Aussehen sein, das zweite weißlich; das dritte wogt ununterbrochen wildbewegt von Stürmen." scheint sowohl die Wolin- wie auch die Usedom-Theorie zu stützen: Hier ein grünes Ufer, die Peene, da ein grünes Ufer, die Dievenow, hier ein weißer Strand, das Haff, dort ein weißer Strand, der Bodden, bei beiden ein stürmisches Ufer zur offenen See. Die Usedom-Theorie Sonst passt allerdings wenig, was
dazu führte, dass die frustrierten Vineta-Sucher kurzum dem Chronisten die
Ortskenntnis absprachen oder die Ungereimtheiten auf fehlerhafte Abschriften
bzw. bewusste Fälschungen zurückführte. Insbesondere Letzteres war zu Zeiten
der - oft genug gewaltsamen - christlichen Missionierung im Nordosten Europas,
die mit einer zielstrebigen Zerstörung der heidnischen Zeugnisse einherging,
nicht ungewöhnlich. Insbesondere der Frühgeschichtler Klaus Goldmann und der Sprachforscher Günter Wermusch stellten das Bild Met saufender und ihre Räusche in matschigen Sümpfen ausschlafender Wilder sehr in Frage. Das Oder-Hochwasser im Sommer 1997 und Satellitenaufnahmen der Gegend brachten unerwartete Bestätigung ihrer Theorie, dass Adam von Bremen sehr genau wusste, was er schrieb und geographisch gut orientiert war: Die Barth-Theorie zu Vineta war geboren (siehe Kasten unten). Die Barth-Theorie Unterwasserarchäologen beobachteten während des Hochwassers vor Hiddensee, wie das Schlammgesättigte Oderwasser am Gellen vorbei in die Ostsee drückte - ein Beweis dafür, dass der natürliche Abfluß der Oder einst über Ziesebruch, Greifswalder Bodden und Strelasund erfolgte, es eine vierte, heute nicht mehr existente Odermündung gegeben hat. Der Vergleich von Satellitenbildern und Reliefkarten ließ Goldmann und Werbusch entdecken, dass das Urstromtal der Oder einen breiten Graben hinterlassen hat, der auch heute noch Pommern und Mecklenburg - zu Zeiten Adam von Bremens: Pommern- und Wilzenland - trennt und über Recknitz, Trebel, Peenemünde, Randowgraben und Weise zur Oder bei Schwedt reicht. (Übersichtskarte) Die Peene zwischen Demmin und Anklam muss im 11. Jahrhundert in umgekehrter Richtung geflossen sein, statt nach Osten nach Westen, wo sie dann mit Recknitz und Trebel den linken - vierten - von Adam von Bremen beschriebenen Mündungsarm der Oder bildete. Nun bekommen auch die anderen Angaben Adams Hand und Fuß. Nun hat die Peene ihre Mündung bei Demmin, war die Stadt Demmin in kurzer Ruderfahrt zu erreichen, lebten die Ranen, die Bewohner des Fürstentums Rügen nicht nur auf Rügen, sondern auch bei Demmin. Und Groß-Rügen - das spätere Schwedisch-Pommern - lag Vineta gegenüber. Und hier, an der natürlichen Grenze zwischen Pommern und Wilzen endete auch der bremisch-hamburgische Sprengel, dessen Domherr Adam von Bremen war, und begann das berüchtigte Fürstentum Rügen, welches alles Land zwischen dem Urstromtal und Kap Arkona umfasste und mit seiner Huldigung des Gottes Swantewit als Zitadelle des Widerstands den Christianisierungsversuchen der Sachsen,Polen und Dänen 200 Jahre widerstand. Hier, so meinen Goldmann und Werbusch, ist der wahrscheinlichste Standort Vinetas und der sagenhaften Jomsburg. Vineta alias Jumne / Iumne / Uimne sei allerdings nicht nur der Name der Stadt, sondern des ganzen Landes zwischen Barthe und Strelasund gewesen, etymologisch abzuleiten von "imne" - Biene. Dieses Bienenland - Honig war im 8. und 9. Jahrhundert so kostbar wie Salz - soll nach Ansicht der beiden Forscher sein Zentrum bei der Stadt Barth gehabt haben. Goldmann und Werbusch sind sich sicher: Dort, im Barther Bodden, liegt der weithin berühmte Marktplatz Vinetas unter Schlick und Sand begraben! Aber wie konnte Vineta so plötzlich untergehen? Die Klimaforscher sind sich einig, dass sich am Meeresspiegel der Gegend seit 5000 Jahren nichts Entscheidendes geändert hat. Goldmann und Werbusch haben jedoch aufgrund ihrer Forschungen eine Theorie entwickelt. Sie meinen, dass die slawischen und germanischen Küstenbewohner schon im ersten Jahrtausend eine hoch entwickelte Wasserwirtschaft, die geschickt mit Dämmen und Schleusen arbeitete, betrieben. Die heutigen Bodden sollen damals kunstvoll eingedeicht und sehr fruchtbar gewesen sein, die Flüsse gestaut, ihre Fluten reguliert und das, was in antiken Quellen - z.B. der Römer - als wilder Sumpf beschrieben, in Wirklichkeit gepflegtes Marschenland gewesen sein. Die beiden Forscher vermuten, dass die nach Pommern drängenden Dänen diese das Gebiet der heutigen Bodden schützenden Dämme zerstört haben, das Land fluteten und den Sturmfluten der Ostsee ungehinderten Zugang schafften. Daraufhin sei das Stettiner Haff, die Flussmündungen und Nehrungen neu entstanden, hätten Flüsse, auf der Suche nach einem neuen Abfluss, ihren Lauf umgekehrt. Soweit die Theorie. Nun müssen weitere Untersuchungen von Pollenanalysen in den vermoorten Tälern von Recknitz und Peene über Altersbestimmungen mit Baumringchronologie und Luftbildauswertung bis hin zur Unterwasserarchäologie zeigen, ob die Theorie sich bestätigen lässt. Die Motivation ist hoch, denn, wenn diese Vineta-Theorie sich bestätigen sollte, hätte diese arme, von hoher Arbeitslosigkeit geplagte Region ihre Weltsensation: Vineta - direkt am Nationalpark, eine sicher internationale Touristenattraktion. Aber auch ein paar knifflige Fragen der Frühgeschichte könnten geklärt werden, z.B. auch die historisch unbegreifliche Siedlungslücke zwischen Rerik bei Wismar und Ralswiek auf Rügen So hat dann auch Friedrich Lüth, der oberste Bodendenkmalpfleger Mecklenburg-Vorpommerns, bereits erste Schritte eingeleitet und ist entschlossen, der heißen Spur von Goldmann und Werbusch zu folgen. Wünschen wir ihm, dass er die nötigen Mittel dafür zusammenbekommt! | |||
Arngast, Bant, Buise, Fositesland, Greifswalder Oie, Jordsand, Koresand, Lieps, Nordruden, Ruden, Rungholt, Strand, Stubber, Tedingsinsel, Wineta, Zingst, | |||